21.11.12

Rocker-Folklore - Sons of Anarchy


Während in der deutschen Öffentlichkeit die Geißelung Leder tragender Motorradfahrerclubs gerade mal wieder Hochkonjunktur hat, sind die seeligen Vereinigten Staaten da einen Schritt weiter. Wohl weil auffällige Exzesse der Hells Angels und anderer One Percenter dort schon etwas länger her sind. Fakt ist jedenfalls, dass es Rocker-Attitüde nicht nur zum anerkannten Alternativ-Lebensstil gehört, sondern es das Thema sogar schon lange bis nach Hollywood geschafft hat: "Sons of Anarchy" schimpft sich (schön kitschig) eine Serie über einen gleichnamigen MC im kalifornischen Hinterland. Nach etlichen Jahren - erstmalig ausgestrahlt wurde 2008 - hat es SoA jetzt auch in die deutsche Fernsehlandschaft geschafft. Hat sich das Warten gelohnt?

Erdacht wurde der fiktive Club vom durch "The Shield" bekannten Kurt Sutter. Angesiedelt im recht idyllischen Örtchen Charming - doofes Wortspiel - , bestehen die Sons of Anarchy ursprünglich aus gut zehn Männern unterschiedlichsten Alters, die die Liebe zu Motorrädern und der eigenen Reputation eint. Bis an die (überraschend kurzen) Haarspitzen in illegale Geschäfte verwickelt - Nutten, Waffen, Alkohol: die traditionellen amerikanischen Sünden also - , dient den Sons eine weitläufige Autowerkstatt als Basis und finanzieller Deckmantel. Eine wenig originelle Tarnung, die aber ausreicht, um zu viel Aufmerksamkeit vom Club fernzuhalten, da man sich bestens mit den lokalen Behörden versteht. Dabei sind die Sons natürlich eigentlich gute Kerle mit derben Sitten, ehrlichen Werten und einer Neigung zur Gewalt.

Genau dieser Charakterzug sorgt dann allerdings dafür, dass SoA eben zu den großen Serien ("Breaking Bad", "Walking Dead" etc.) noch ein gutes Stück fehlt. So sehr sich die Rocker auch ins Zeug legen, dreckige Witze reißen, rumhuren, Drogen nehmen und foltern/prügeln/morden, so selten schaffen sie, es die Aura eines (brutalen) Kegelvereins abzuschütteln: Die Sons of Anarchy sind einfach nicht böse genug. Durch ihren beständig positiven Grundton mangelt es den meisten Figuren der Serie schlicht an der Komplexität, die vergleichbare TV-Serien einfach auszeichnet - von einem packenden Meta-Plot ganz zu schweigen. Der zwielichtige Regierungsagent erschöpft sich als unberechenbarer Ex-Lover, der Rocker-Alpha beichtet seiner Frau einen Seitensprung mit feuchten Augen und der aufstrebende Ziehsohn findet Gewalt eher doof. Dementsprechend blutarm entwickelt sich dann auch die Story der Serie, da können sich Ron Perlman und Katey Sagal als Zugpferde noch so ins Zeug werfen. Dass Autor Sutter gerne betont, er habe sich für SoA an Shakespeares MacBeth orientiert, nimmt man da auch als Nicht-Anglizist nur noch kopfschüttelnd zur Kenntnis.



Fast schwerer als die wenig überraschende und zugstarke Handlung wiegt aber fast, dass Sutter bei seinen Recherchen für SoA Rocker-technisch einiges falsch verstanden haben muss. Da fahren die Bad Boys allesamt Motorräder, für die selbst der TÜV noch keine Richtlinien erfunden hat und auch die vorschriftsmäßige Schutzkleidung wird selten vergessen. Der Veteran des Clubs trägt dann sogar stolz Sauerstoffmaske und Trike in die Gangkämpfe, ohne geht es eben nicht mehr. Die Krönung des Ganzen ist dann aber Hauptfigur Jax, der aussieht wie ein billiger Kurt Cobain, läuft wie Bruce Darnell auf Steroiden und generell wohl in jedem MC als erster die Seife aufheben müsste.

Im Vergleich mit diesem gutbürgerlichen Rocker-Zerrbild wirkt sogar die Springer-Berichterstattung zum Thema Hells Angels-Verbot besser recherchiert und unterhaltsamer konstruiert. Eine irgendwie bittere Erkenntnis.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen